Harry Potter und der Gefangene von Askaban - Rowling Joanne Kathleen. Страница 84

»Wie willst du denn in der Dunkelheit eine Ratte finden?«, fauchte Hermine.»Wir konnen nichts tun! Wir sind zuruckgekommen, um Sirius zu helfen, und wir sollten jetzt nichts anderes tun!«

»Ist ja gut!«

Der Mond trat hinter der Wolke hervor. Sie sahen, wie die kleinen Figuren auf dem Gras innehielten. Dann bewegte sich etwas.

»Das ist Lupin«, flusterte Hermine,»er verwandelt sich.«

»Hermine!«, sagte Harry plotzlich,»wir mussen fort von hier!«

»Das geht nicht, ich erklar dir doch standig -«

»- da? wir uns nicht einmischen sollen! Ja doch, aber Lupin wird in den Wald rennen, direkt auf uns zu!«

Hermine ri? die Augen auf

»Schnell!«, stohnte sie und sprang zu Seidenschnabel, um ihn loszubinden.»Schnell! Wo sollen wir denn hin? Wo sollen wir uns verstecken, die Dementoren werden jeden Moment kommen!«

»Zuruck zu Hagrid!«, sagte Harry.»Die Hutte ist leer – komm schon!«

Sie rannten, so schnell sie konnten, und Seidenschnabel setzte in langen Sprungen hinter ihnen her. Schon horten sie den Werwolf hinter sich heulen…

Sie konnten die Hutte jetzt sehen; Harry rutschte zur Tur, stie? sie auf und Hermine und Seidenschnabel flitzten an ihm vorbei. Harry sturzte ihnen nach und verriegelte die Tur. Fang, der Saurude, klaffte laut.

»Schhh, Fang, wir sind's!«, sagte Hermine. Rasch ging sie hinuber und kraulte Fang besanftigend die Ohren.»Das war wirklich knapp!«, sagte sie.

»Jaah…«

Harry sah aus dem Fenster. Von hier aus war kaum noch etwas zu sehen. Seidenschnabel schien uberglucklich, wieder zu Hause zu sein. Er legte sich vor den Kamin, faltete zufrieden die Flugel und wollte offenbar ein kleines Nickerchen einlegen.

»Ich glaube, ich geh am besten wieder nach drau?en«, sagte Harry langsam.»Ich kann von hier aus nicht sehen, was passiert, und wir mussen doch wissen, wann es Zeit ist -«

Hermine sah ihn argwohnisch an.

»Ich werd mich ganz bestimmt nicht einmischen«, sagte Harry rasch.»Aber wenn wir nicht sehen, was passiert, wie sollen wir dann wissen, wann es Zeit ist, Sirius zu retten?«

»Von mir aus… ich warte hier mit Seidenschnabel… aber sei vorsichtig, Harry – da drau?en ist ein Werwolf – und die Dementoren!«

Harry ging hinaus und schlich um die Hutte herum. Aus der Ferne horte er erschopfte Schreie. Die Dementoren kreisten jetzt Sirius ein… er und Hermine wurden jeden Augenblick zu ihm laufen…

Harry schaute hinuber zum See und sein Herz fuhrte eine Art Trommelwirbel in seiner Brust auf… wer immer auch den Patronus geschickt hatte, wurde jeden Moment auftauchen…

Fur den Bruchteil einer Sekunde stand er unentschlossen vor Hagrids Tur. Keiner darf dich sehen. Doch er wollte nicht gesehen werden. Er wollte sehen… er mu?te es unbedingt wissen…

Und da waren die Dementoren. Sie kamen aus der Dunkelheit, aus allen Richtungen, und glitten am Ufer des Sees entlang… sie entfernten sich von Harry, schwebten hinuber zum anderen Ufer… er wurde ihnen nicht zu nahe kommen…

Harry rannte los. Er dachte nur noch an seinen Vater… wenn er es war… wenn er es wirklich war… er mu?te es wissen, er mu?te es herausfinden…

Der See kam naher und naher, doch niemand war zu sehen. Am anderen Ufer konnte er dunne Silberschleier erkennen – seine eigenen Versuche, einen Patronus zu schaffen.

Harry versteckte sich hinter einem Busch am Wasser und schaute verzweifelt durch das Blattwerk. Das silberne Glimmen am anderen Ufer erlosch mit einem Mal. Erregung packte ihn und Furcht – jeden Augenblick -

»Komm jetzt!«, murmelte er und spahte umher,»wo bist du? Dad, komm bitte -«

Doch keiner kam. Harry hob den Kopf und sah hinuber. Die Dementoren hatten einen Ring gebildet. Einer von ihnen nahm die Kapuze ab. Es war hochste Zeit, da? der Retter erschien – doch diesmal kam keiner zu Hilfe -

Und dann traf es ihn wie ein Schlag – er begriff. Er hatte nicht seinen Vater gesehen – sondern sich selbst -

Harry sturzte hinter dem Busch hervor und zuckte den Zauberstab.

»Expecto patronum!«, rief er.

Und aus der Spitze seines Zauberstabs brach etwas hervor, keine unformige Nebelwolke, sondern ein schones, blendend helles, silbernes Tier – er kniff die Augen zusammen und versuchte zu erkennen, was es war – es sah aus wie ein Pferd – es galoppierte lautlos davon, uber die schwarze Oberflache des Sees; Harry sah, wie es den Kopf senkte und mit den Hinterbeinen gegen den Schwarm der Dementoren ausschlug… jetzt galoppierte es im Kreis um die schwarzen Gestalten am Boden, und die Dementoren wichen zuruck, zerstreuten sich, verloren sich in der Dunkelheit… und waren verschwunden.

Der Patronus wandte sich um. Das Tier galoppierte uber den stillen See zuruck. Es war kein Pferd. Es war auch kein Einhorn. Es war ein Hirsch. Er leuchtete so hell wie der Mond am Himmel… er kehrte zu ihm zuruck…

Am Ufer hielt er inne. Seine Hufe hinterlie?en keine Spur im weichen Boden. Er starrte Harry mit seinen gro?en silbernen Augen an. Langsam neigte er den Kopf mit dem schweren Geweih. Und Harry erkannte…

»Krone«, flusterte er.

Doch als er das Geschopf mit zitternden Fingern beruhren wollte, verschwand es.

Harry blieb mit ausgestreckter Hand stehen. Dann – und schon wollte ihm das Herz zerspringen – horte er hinter sich Hufgetrappel. Er wirbelte herum und sah Hermine auf ihn zuspringen, Seidenschnabel im Schlepptau.

»Was hast du getan?«, sagte sie und schaumte vor Wut.»Du wolltest doch nur Ausschau halten!«

»Ich hab gerade unser aller Leben gerettet…«, sagte Harry.»Komm – hinter diesen Busch – ich erklar's dir.«

Er schilderte, was geschehen war, und Hermine lauschte abermals mit offenem Mund.

»Hat dich jemand gesehen?«

»Ja, hast du denn nicht zugehort? Ich hab mich gesehen! Es ist gut jetzt!«

»Harry, ich kann's nicht glauben… du hast einen Patronus heraufbeschworen, der all diese Dementoren verjagt hat! Das ist sehr weit fortgeschrittene Zauberei…«

»Ich wu?te, da? ich es diesmal schaffen wurde«, sagte Harry,»weil ich es schon einmal geschafft hatte… red ich Unsinn?«

»Ich wei? nicht – Harry, da druben ist Snape!«

Sie lugten hinter dem Busch hervor auf die andere Seite. Snape war zu sich gekommen. Er zauberte Tragen herbei und hievte die leblosen Gestalten von Harry, Hermine und Black hoch. Eine vierte Trage, zweifellos mit Ron, schwebte bereits neben ihm. Dann, mit ausgestrecktem Zauberstab, lie? er sie zum Schlo? emporschweben.

»Gut, bald ist es so weit«, sagte Hermine angespannt und warf einen Blick auf ihre Uhr.»Wir haben eine drei viertel Stunde, bis Dumbledore die Tur zum Krankenflugel abschlie?t. Wir mussen Sirius retten und im Krankensaal zuruck sein, bevor jemand merkt, da? wir fehlen…«

Beim Warten sahen sie den Wolken zu, die sich im See spiegelten, wahrend der Busch vor ihnen in der Brise wisperte. Seidenschnabel langweilte sich und stocherte wieder nach Wurmern.

»Meinst du, er ist schon dort oben?«, sagte Harry und sah auf die Uhr. Er sah hoch zum Schlo? und zahlte die Fenster rechts vom Westturm ab.

»Schau!«, flusterte Hermine.»Wer ist das? Da kommt jemand aus dem Schlo?!«

Harry spahte durch die Nacht. Der Mann eilte uber das Gelande auf einen der Eingange zu. Etwas Metallenes schimmerte an seinem Gurtel.

»Macnair!«, sagte Harry.»Der Henker! Er holt die Dementoren! Wir mussen los, Hermine!«

Hermine legte die Hande auf Seidenschnabels Rucken und Harry half ihr, sich aufzuschwingen. Dann stellte er den Fu? auf einen niedrigen Ast und kletterte selbst hoch. Er zog Seidenschnabel die Leine um den Hals und befestigte sie wie Zugel oben am Kummet.

»Fertig?«, flusterte er Hermine hinter ihm zu.»Du haltst dich am besten an mir fest -«

Mit den Fersen stie? er Seidenschnabel sanft in die Seiten.

Seidenschnabel flatterte muhelos hoch in den dunklen Himmel. Harry pre?te die Knie gegen seine Flanken und spurte, wie sich die gro?en Flugel neben ihnen kraftvoll spannten. Hermine klammerte sich fest um Harrys Hufte; er konnte sie murmeln horen,»O nein – das ist nichts fur mich – o nein, das ist wirklich nichts fur mich -«